Nachhaltige Risikosenkung & Transparenz durch Steigerung des Umwelt- und Arbeitsschutzes in der chinesischen Lieferkette
Mittelständische Unternehmen, die signifikante Volumina aus China beziehen, sind oft Risiken ausgesetzt, die sie nur schwer mindern können. Wir schlagen nun mehrere Fliegen mit einer Klappe: In einem zweijährigen Projekt zur Steigerung des Umwelt- und Arbeitsschutzes stärkten wir die Beziehung zu unseren chinesischen Schlüssellieferanten und konnten die Stabilität der Produktionsqualität sowie die Transparenz über seine Zulieferer maßgeblich erhöhen. Hierdurch brachten wir unsere Einkaufsaktivitäten in Einklang mit unserer starken Nachhaltigkeitsorientierung.
Wir, die Brugger GmbH, hatten unsere Einkaufsaktivitäten mit chinesischen Magnetlieferanten für Zeichnungsteile mit einer Politik der kleinen Schritte über zehn Jahre aufgebaut. Ein zunehmendes Problem für uns war allerdings, dass man keinen persönlichen Zugang zu den Lieferanten und deren Entscheidungsträger hatte. „Unsere Beziehungen waren rein auftragsbezogene Lieferbeziehungen. Wir hatten weder Transparenz über die jeweiligen Entscheidungsträger, noch darüber, ob der Lieferant selbst produziert oder lediglich Händler ist“, so Thomas Brugger, kaufmännischer Geschäftsführer.
Zudem stellten wir uns in der Geschäftsleitung verstärkt Fragen bezüglich Umwelt- und Arbeitsschutz in China. Georg Brugger-Efinger, technischer Geschäftsführer, bringt es auf den Punkt: „Wir sind stolz auf unsere nachhaltige Unternehmenspolitik in allen Bereichen. Wir sind seit 2008 EMAS zertifiziert, haben E-Bikes als Firmenfahrzeuge, CO2-neutrale Logistik, diverse Auszeichnungen in sozialen Bereichen und vieles mehr. Dabei die Lieferkette außer Acht zu lassen, wäre nicht ehrlich gegenüber uns selbst, unseren Mitarbeitern und unseren Kunden.“ Daher entschlossen wir uns, ein Projekt zur Stärkung des Umwelt- und Arbeitsschutzes in unseren chinesischen Lieferketten zu eruieren.
Für einige Magneten werden große Mengen Seltener Erden eingesetzt, deren Prozesskette mit großen Umwelt- und Arbeitsschutzrisiken belegt ist. In deren Abbau und Verarbeitung ist China weltweit führend, das Thema ist in China jedoch sehr sensibel – Einmischung von außen sieht die chinesische Regierung nicht gern und die Kontrolle der Lieferkette liegt von Minen bis Schmelzen weitgehend in der Kontrolle von 6 großen Staatsunternehmen.
Wir gingen das Thema von Anfang an systematisch an und holten uns einen erfahrenen Experten ins Team: die Berners Consulting GmbH aus Stuttgart, die zunächst ihren chinesischen Lieferanten-Experten für ein „unternehmerisches“ Audit zu den Werken der chinesischen Magnethersteller sendete. Dabei lag das Augenmerk nicht nur auf Produktion und Qualität, sondern vor allem auf den Strukturen und den Entscheidungsträgern. Miriam Fritz, bei Berners Consulting zuständig für Supply Chain Management, betreute das Projekt von Anfang an. „Die ersten Fragen waren: Wer sind die Lieferanten und wo produzieren sie? Sind sie Hersteller oder nur Handelsorganisation? Welchen Stellenwert haben wir, der Kunde Brugger bei ihnen?“
In den Erstbesuchen im Jahr 2013 ließen sich diese Fragen bereits weitgehend beantworten. Einige Ergebnisse waren überraschend, insgesamt aber ermutigend und bestätigten die gute Grundlagenarbeit der letzten Jahre. „Die Bestätigung, bereits eine gute Lieferantenbasis in China zu haben, war natürlich auch für unser Einkaufsteam eine gute Nachricht, es hatte diese Basis sozusagen per Fernbeziehung aufgebaut,“ so Thomas Brugger. „Für uns stellte sich dann direkt die Frage: Wie können wir mit der guten Lieferantenbasis gemeinsam darauf hinarbeiten, mehr Transparenz und Corporate Social Responsibility (CSR) im China-Einkauf zu erreichen?“
Auf diese Frage hin definierten wir tief greifende unternehmerische Zielsetzungen: Die bestehenden Kontakte sollten zunächst auf eine unternehmerische Ebene gehoben, und folglich zu strategischen und persönlichen Lieferantenbeziehung werden. Gleichzeitig sollte in einem CSR-Projekt die Steigerung von Umwelt- und Arbeitsschutz in der Lieferkette in Angriff genommen werden. Das CSR-Projekt begann im Frühjahr 2014 und erhielt noch im jungen Stadium eine Co-Finanzierung vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Um diese Förderung zu beantragen, wurde die auf das DeveloPPP-Programm spezialisierte Agentur WIN=WIN eingeschaltet, die den gesamten Prozess begleitete.
Für das CSR-Projekt wurde ein interdisziplinäres Team mit deutschen und chinesischen Experten aufgesetzt und von Berners Consulting (auf Deutsch, Englisch, Chinesisch) koordiniert. Führende chinesische Experten für Umwelt- und Arbeitsschutz übernahmen die Umsetzung vor Ort. „Die Einbindung der chinesischen Experten war ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die Hemmschwelle bei den beteiligten chinesischen Akteuren zu senken und den Eindruck einer zu starken Einmischung von außen zu vermeiden,“ so Thomas Brugger. Im Sinne der begrenzten Einmischung gelang es uns auch, einen der Lieferanten für einen Besuch bei China‘s größter Seltenerde-Mine zu gewinnen, um nicht als „Ausländer“ Zutritt zu diesem sensiblen Gebiet zu verlangen – wir erhielt daraufhin einen Bericht inklusive Fotos.
Dem BMZ war wichtig, dass die Fördermittel vor Allem für direkte, aber nachhaltige Verbesserungen sozialer, ökologischer und Sicherheitsstandards eingesetzt wurden, dazu gehörten CSR-Audits, Schulungen von Mitarbeitern und Management, physische Investitionen sowie mehr Transparenz. Georg Brugger-Efinger: „Die Tatsache, dass wir unsere Lieferanten bei diesen physischen Investitionen finanziell unterstützten, war enorm wichtig. Damit erlangten die Lieferanten neues Wissen und Ideen für finanziell überschaubare, aber effektive Verbesserungen. Das steigerte die Glaubwürdigkeit der Initiative spürbar.“ Thomas Brugger ergänzt: „Wir hätten auch ohne die BMZ-Förderung ein CSR-Projekt gemacht, aber ein kleineres. Insbesondere hätten die Lieferanten die physischen Maßnahmen komplett selbst finanzieren müssen, was die Hemmschwelle enorm erhöht hätte.“
Zum CSR-Projektstart erfolgte Anfang 2014 unsere erste China-Reise. „Wir wollten die Wirklichkeit gezeigt bekommen, und zwar auf eine Weise, dass die chinesischen Geschäftspartner nicht das Gesicht verlieren“, erklärt Thomas Brugger. Neben geplanten Werksbesuchen wurden weitere Werke, auch „unangekündigt“ besucht – die vertrauensvolle chinesische Kommunikation und gute Beziehung mit den chinesischen Ansprechpartnern ließ diese Spontaneität zu. Die Lieferanten wiederum waren beeindruckt von unserem Auftritt der sich in Schwarzwälder Unternehmer-Manier, strategisch und persönlich mit unseren Lieferanten befasste. Miriam Fritz: „Das Brugger-Team trat in China mit beeindruckender Motivation Aufgeschlossenheit und Authentizität auf, was dem Projekt aus Sicht der Chinesen eine hohe Glaubwürdigkeit und Sinnhaftigkeit verlieh. Die Wertschätzung, die Brugger als Kunde und strategischer Partner vermittelte, war von Anfang an entscheidend für den weiteren Erfolg.“ Die Ergebnisse der ersten Reise waren somit ermutigend. Doch erst in den folgenden Monaten zeigte sich, dass wir mit ihrem Projekt den richtigen Punkt getroffen hatte. Denn es blieb die Frage, ob die chinesischen Lieferanten auf ihre positiven Worte auch Taten folgen lassen würden. Trotz der Projektumsetzung durch uns und die Förderung durch das BMZ stellte das Projekt nämlich für die Lieferanten eine beachtliche Anstrengung dar, sowohl in Bezug auf Ressourcen für Schulungen, als auch für physische Maßnahmen sowie hinsichtlich der geforderten Transparenz in der Lieferkette. Dabei ging es nicht um ein einmaliges Erreichen von Rahmenvorgaben, sondern um langfristige und nachweisbare Veränderungen in Sachen Nachhaltigkeit. Als Anreiz werden für erreichte Zwischenziele gestaffelte Audit-Urkunden in Bronze, Silber, Gold und Platin an die Unternehmen vergeben.
„Die ersten Reaktionen auf unsere Vorschläge reichten von vollkommenem Erstaunen bis hin zum Begreifen der chinesischen Ansprechpartner, dass es wirklich wichtig ist und die langfristige Arbeits- & Lebensqualität individuell betrifft“, erinnert sich Georg Brugger-Efinger. Die chinesischen Gesetze zum Umwelt- und Arbeitsschutz sind zwar inzwischen überwiegend kompatibel mit deutschen Ethikgedanken, doch die Umsetzung ist bisweilen schwach.
Nach unserer zweiten China-Reise standen die Lieferanten dann vor der Entscheidung: Bei Teilnahme an CSR-Projekt sollten sich die chinesischen Entscheider per Unterschrift verpflichten, zwei Jahre an Schulungen, Verbesserungsmaßnahmen und Audits mitzuarbeiten. Bald darauf folgte das überraschende Ergebnis: Alle vier angesprochenen Lieferanten wollten am Programm teilnehmen. Mit einem so durchschlagenden Erfolg hatte keiner gerechnet – und auch nicht kalkuliert. „Das hat fast unser Budget gesprengt“, fasst Thomas Brugger rückblickend zusammen. „Aber wo nun schon die Bereitschaft da war, wollten wir keinen Rückzieher machen.“ Damit begann die Arbeit für die chinesischen CSR-Experten der Nanjing University, die Führungsebene, mittleres Management und einfache Mitarbeiter der Lieferanten in Sachen Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz schulten. „Diese Trainings und Schulungen haben wir komplett bezahlt“, stellt Thomas Brugger fest. Mit der Übernahme der Kosten sicherten wir die Qualität und Verbindlichkeit der Schulungen. Ein weiterer Teil der BMZ-Förderung floss in Maßnahmen für Umwelt- und Arbeitsschutz.
Die ersten Audits zeigten keine großen Handlungsbedarfe im Bereich „gesetzliche Konformität“, jenseits der Gesetze zeigten sie aber durchaus Verbesserungspotential. „Unmittelbare Risiken und echte Unzulänglichkeiten ließen sich nicht nachweisen; gleichzeitig bleibt einiger Spielraum für Verbesserungen in den Bereichen CSR-System, Umwelt, Gesundheit und Sicherheit. Nicht überraschend hatte bisher keines der chinesischen Magnet-Unternehmen ein CSR-System etabliert“, resümiert Miriam Fritz. „Wir hoffen, weitere Magnethersteller in China für CSR-Programme gewinnen zu können und, dass diese außerdem ihre Vorlieferanten für das Thema sensibilisieren und auch dort Einfluss nehmen.“
Nach drei Jahren Lieferantenentwicklung und ca. zwei Jahren CSR-Projekt zieht Thomas Brugger ein positives Fazit. „Vor drei Jahren hatten wir de facto keine Beziehung zu unseren chinesischen Lieferanten. Jetzt kennen wir die Personen, die Unternehmen und haben das gute Gefühl, dass wir mit ihnen gemeinsam auf einem guten Weg sind. Wir sind Partner geworden. Es bleibt natürlich noch viel zu tun, und nachhaltiger Einkauf in China ist kein Kinderspiel. Wir können aber nun gut einschätzen, wo unsere Risiken liegen, wie wir sie mindern, und welche Partnerschaften wir aufbauen können.“
Einer der nächsten Schritte ist die Ausweitung der Initiative auf weitere deutsche Unternehmen und den Aufbau eines Audit-Systems und eines Labels für nachhaltig hergestellte Magnete, das zum Beispiel den Namen „Fair Magnet“ tragen könnte. Hierzu suchen wir Verbündete in der Branche. Georg Brugger-Efinger: „Wir könnten natürlich warten, bis andere ein solches Auditsystem ins Leben rufen. Aber wer weiß, vielleicht sind andere ja ebenfalls bereits am Werk, und wir wissen nur nichts davon. Man könnte sich zusammentun.“
Das Schlusswort hat wieder Thomas Brugger: „Das Wichtigste an dem Projekt ist nicht die perfekte Lösung, sondern Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Allein die Ansprache der Lieferanten kann ja schon etwas bewegen: Augen öffnen, Bewusstsein schaffen. Man darf nicht vergessen: Auch wir haben Zeit gebraucht, bis wir das begriffen und umgesetzt hatten.“
Projektüberblick:
Projektträger: Brugger GmbH, Hardt
Projektzeitraum: Lieferantentwicklung: Januar 2013 – Dezember 2016
CSR-Projekt: März 2014 – August 2016
Projektvolumen: CSR-Projekt: XXX.XXX EUR
übernommen von der KfW DEG im Auftrag des BMZ: 42%
Kontakt: Miriam Fritz, mfritz@bernersconsulting.com